Lesben müssen sich geheim im Untergrund treffen. Die Treffpunkte können nicht öffentlich mitgeteilt werden, sondern werden nur an Vertraute weitergegeben. Anderenfalls laufen die Frauen Gefahr, dass ihre Treffen torpediert werden.
Wir schreiben das Jahr 2020. In den letzten Jahren erleben Frauenrechte einen Backlash, einen so heftigen Rückschlag, wie selten zuvor. Frauenrechtlerinnen und auch WissenschaftlerInnen werden beleidigt, bedroht, zum Schweigen gebracht, ausgekundschaftet, verhetzt und angegriffen. Und diese Attacken kommen dieses Mal nicht von rechts, sondern vermeintlich von links. Und zwar von Gruppen, Projekten und Vereinen, die explizit Wörter wie „feministisch“ oder „lesbisch“ im Namen tragen.
Im Folgenden soll dargestellt werden, welche entgegengesetzten Positionen sich unter dem Sammelbegriff „Feminismus“ tummeln und welche Mittel gegen Frauen eingesetzt werden, um gegen sie und ihre politischen Anliegen anzugehen. Dabei wird sich hier auf die Inklusion von Männern in die feministischen Forderungen und auf die Deutungshoheit über die Frau konzentriert, obwohl ähnlich erbitterte Konfrontationen auch bezüglich Prostitution und des Kinderkopftuchs existieren.
Inhalt
- Antifeminismus
- Männerfeminismus
- Rassismus
- Angriffe – Strategie
- Angriffe – Praxis
- Für rationale Argumente
- Fairplay für Frauen
Kurzer Überblick
Medial populär ist der Mainstreamfeminismus, auch Queerfeminismus. Darin wird Gender, also das sozial konstruierte Geschlecht, als ausschlaggebend für Unterdrückung angesehen. Dagegen stehen die Radikalfeministinnen, die das physische, biologische Geschlecht als ausschlaggebend ansehen und geschlechtsbasiertes Unrecht wie Kinderehen, weibliche Genitalverstümmelung, Gewalt gegen Frauen und Prostitution bekämpfen und die Situation der Frau in der Gesellschaft verbessern wollen.
Queerfeminismus, auch Postfeminismus genannt, fokussiert sich dabei auf die subjektiven Identitäten von Individuen und zugleich auf die Dekonstruktion geschlechtlicher Normen einschließlich der faktualen menschlichen Zweigeschlechtlichkeit. Dabei wird nicht nur propagiert, dass das soziale Geschlecht – das ja primär ein Resultat der Sozialisation ist – arbiträr oder aneignenbar sei, sondern es wird auch geleugnet, dass es biologische Geschlechter überhaupt gäbe. Das ist natürlich falsch, wie der Genetiker Georgi K. Marinov an der Stanford University noch einmal eindeutig erklärt hat, und zwar in einem Aufsatz unter dem Titel In Humans, Sex Is Binary and Immutable.
Durch die Aufbröselung des Begriffes „Frau“ und durch die Aneignung alles Weiblichen durch Nichtweibliche, durch den Fokus auf individuelle statt strukturelle Probleme, wird das Durchsetzen politischer Forderungen zum Wohle von Frauen (durch den Versuch der Auflösung der fixen Klasse ,Frau‘) verunmöglicht, zumal das Konstrukt der ,Genderidentität‘ weder theoretisch noch physiologisch haltbar ist. Dies führt zu Differenzen, die sich negativ auf das Ziel des Feminismus – die Verbesserung der Situation von Frauen – auswirken.
Radikalfeministinnen werden dabei auf enorm frauenfeindliche Weise angegriffen; ein rationaler Diskurs wird verweigert. Diese Angriffe kommen aber nicht von konservativ-rechter Seite oder von Männerrechtsaktivisten, sondern nun, in neuem Gewand, von der sich ‚links‘ verstehenden queeren Seite. Menschen, die sich als Feministen bezeichnen, greifen gezielt Frauenrechtlerinnen an – weil diese sich für Frauen engagieren. Dabei wird sich wiederkehrender Taktiken bedient, wie in diesem Beitrag gezeigt wird. Nach einer kurzen Einführung in den Antifeminismus wird anhand von Angriffen auf Deutschlands älteste Frauenrechtsorganisation, Terre des Femmes – Menschenrechte für die Frau e.V. von 1981 und speziell Frauen bei den Grünen gezeigt, wie versucht wird, ihnen die öffentliche Unterstützung zu entziehen. Weil sie sich für Mädchen, Frauen und Frauenrechte einsetzen.
Antifeminismus
Rosalie Gill nimmt in ihrem Beitrag „Die Widersprüche verstehen. (Anti-)Feminismus, Postfeminismus, Neoliberalismus“ (Bundeszentrale für politische Bildung, 2018), eine wichtige Differenzierung vor:
Ich halte es für notwendig, Unterscheidungen zwischen verschiedenen Formen von vermitteltem Feminismus vorzunehmen; Mainstream- oder neoliberaler Feminismus haben womöglich wenig gemeinsam mit dem Feminismus von Aktivistinnen, die gegen Mittelkürzungen oder Abschiebungen protestieren, und dieser Feminismus hat wiederum womöglich kaum etwas zu tun mit medialen Konstruktionen von Feminismus als jugendliche, stylische (Prominenten-)Identität. Feministische Sichtbarkeiten sind, mit einem Wort, uneinheitlich.
Tatsächlich haftet dem gegenwärtigen Zelebrieren des Feminismus, das in der Medienkultur die Runde macht, häufig ein ausgeprägter postfeministischer und neoliberaler Tenor an. Die neue Leuchtkraft des Feminismus existiert in einer Umgebung, die bestenfalls höchst widersprüchlich und schlechtestenfalls zutiefst frauenfeindlich ist.
Rosalie Gill: Die Widersprüche verstehen. (Anti-)Feminismus, Postfeminismus, Neoliberalismus, S. 3.
Der aktivistische Feminismus, der sich für Frauen und die Verbesserung ihrer Lebenssituation einsetzt, der für Frauen kämpft, hat oft wenig Zeit für bunte Social Media-Kampagnen. Er kämpft gegen häusliche und sexualisierte Gewalt, gegen Zwang- und Kinderheirat, gegen weibliche Genitalverstümmelung, gegen Frauenhandel, gegen Femizide und gegen Prostitution. Das sind die Anliegen des Radikalfeminismus: Gleichwertigkeit mit Männern, Menschenrechte für die Frau, Schutz, wo Schutz nötig ist. Die Kontrahenten hingegen, die sich oft als queerfeministisch verstehen und bezeichnen, kämpfen für Männer im Feminismus. Der Grund für die Attacken ist nämlich, dass einige Frauenrechtsorganisationen keine Männer zentrieren. Und das sind nicht mehr viele, die sich tatsächlich nur für Frauen einsetzen.
Lesbische Räume sind mittlerweile völlig von Männern unterwandert, und junge Lesben werden dazu gedrängt, Männer als Sexualpartner und Penisse als weibliche Geschlechtsorgane anzuerkennen. Nein, das ist keine homophobe und frauenfeindliche Dystopie: Das ist die Realität in Deutschland.
Männerfeminismus
Es ist nicht nur so, dass Männer überall im Feminismus mitbedacht werden müssen – es wird auch explizit gegen Organisationen gekämpft, die für sich festgelegt haben, dass sie sich ausschließlich um Frauenrechte kümmern wollen. Schließlich betreffen einige Phänomene wie weibliche Genitalverstümmelung, Kinderehen, Mutterschutzrechte und Zugang zu lesbischen Räumen und Frauenschutzräumen ausschließlich Frauen.
Diese Auffassung wird im Queerfeminismus nicht geteilt. Allerdings wird – statt hinzunehmen, dass einige Menschen sich die Personengruppe, für die sie sich politisch engagieren will, selber aussuchen wollen – mit perfiden Taktiken und Druck darauf gedrängt, dass diese Vereine und Frauen ihre Ausrichtung ändern, um Männer einzuschließen. Statt, aufgrund der Schnittmenge, gemeinsame Ziele zu verfolgen, bekämpfen QueerfeministInnen Frauenrechtsorganisationen und Radikalfeministinnen, deplatformen sie (also nehmen ihnen das Rederecht im öffentlichen Raum), diffamieren sie (siehe unten) und erhalten dafür nicht nur finanzielle, sondern auch ideelle Unterstützung, denn nahezu alle Medienorgane paktieren unkritisch mit diesem Mainstreamfeminismus – der sich allerdings negativ auf Frauenrechte auswirkt.
Frauen sind die einzigen Menschen, die sich in ihrer eigenen Befreiungsbewegung nicht um sich selber sorgen dürfen.
Diese Diffamierungskampagnen werden dabei oft mit dem Vorwurf, dass die geäußerte Kritik „rechts“ sei, zu bestreiten versucht – völlig ungeachtet dessen, dass viele der Frauenrechtlerinnen aus dem links-grünen oder sozialdemokratischen politischen Spektrum kommen. Die Anschuldigungen sind dabei so haltlos wie die Forderungen.
Rassistischer Antifeminismus
Diese Personen agieren nicht nur frauenfeindlich, sondern oft auch rassistisch, wie Vojin Saša Vukadinović in seinem Beitrag unter dem Titel „Warum Gender-Theoretikerinnen oftmals frauenfeindlich agieren“ in der NZZ herausgestellt hat. „Der Kulturrelativismus, den viele Gender-Anhängerinnen vertreten, gibt sich progressiv, ist aber reaktionär. Und er verrät eine misogyne Haltung.“
Darin schließt er:
„Der Umstand, dass Gender-Studies-Vertreterinnen auf die gesellschaftliche Relevanz ihres Fachs verweisen, aber keinerlei gewichtige Studien zu den mitunter virulentesten Konflikten der letzten Jahre vorzuweisen haben, spricht für sich. An ihnen sind sämtliche geschlechter- und sexualpolitischen Entwicklungen vorbeigezogen, die dringend der wissenschaftlichen Bestandsaufnahme bedürfen, weil sie qualitativ neue Phänomene sind: Jihadismus, Kinderehen, in aller Öffentlichkeit und oftmals, wie die laufenden Verfahren zeigen, bar jeden Rechtsempfindens verübte Gruppenvergewaltigungen und Morde an jungen Frauen.“
Das sind exakt die Missstände, gegen die Vereine wie Terre des Femmes, wie WHRC und zahlreiche Feministinnen kämpfen. Und das sind genau die Gründe, weshalb sie von den Gender-Studies-Vertreterinnen angegangen werden. Denn sie sind es, die Kolumnen im Spiegel, in neues deutschland oder in der taz haben, die sich dort als Sprachrohr des Feminismus gerieren, aber gegen die Befreiung der Frau agieren. Sie sind es, die nicht nur nicht für die Freiheit kämpfen, sondern all jene, die es tun, auch noch angreifen und absichtlich am Engagement hindern.
Grob heruntergebrochen lautet die Kritik, dass westliche Menschen der kulturrelativistischen Perspektive nach jede Freiheit der Welt haben dürfen und sollen, auch über die persönlichen Grenzen und Freiheiten der anderen Menschen hinweg, dass allerdings Mädchen, die etwa in streng religiöse Familie geboren wurden, kein Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf freie Lebensgestaltung und Selbstentfaltung haben; dass ihnen also das Leben in der Freiheit, die die Queerfeministinnen selber beanspruchen, nicht zusteht. Angeblich aus Sensibilitätsgründen, denn die Menschenrechtsverletzungen werden von den QueertheoretikerInnen als „Tradition“ gewertet – dabei sollten Menschenrechte eigentlich universell für alle Menschen gelten.
Die komplexen ideologischen Hintergründe, einschließlich der Oppositionen Universalismus vs. Kulturrelativismus, materialistische vs. idealistische Weltanschauung etc., können an dieser Stelle nicht näher behandelt werden, auch wenn sie die Grundlagen für die Konflikte bilden. Hier werden zunächst die Konsequenzen der neoliberalen Individualisierungstendenzen beschrieben.
Angriffe – Strategie
In dem Strategiepapier unter dem Titel „Resisting TERF’s and Transforming their Organizations“ werden Anweisungen zur Infiltrierung, Destabilisierung und Auflösung von Veranstaltungen und Vereinigungen von Frauen gegeben, die von „Against Presence“ (also das Bedrängen, Verleumden und das „Doxxen“ und somit die Publikation persönlicher Daten der Feindinnen), über „Against Property“ (zu Vandalismus, illustriert durch ein ausgebranntes Auto) bishin zu „Against Persons“ (zu körperlicher Gewalt) reichen.
In diesem Blogpost habe ich bereits zahlreiche Belege für Gewaltandrohungen gesammelt. Fachpublikationen beschreiben Ähnliches.
In der Expertise des Deutschen Frauenrats: „Auswirkungen von Antifeminismus auf Frauenverbände“, die im Oktober 2020 publiziert wurde, werden als Instrumente antifeministischer Angriffe u.a. genannt (S. 16):
- tendenziöse Berichterstattung
- Diffamierung und Bedrohung auf Social Media
- Einschüchterungsversuche
- öffentliche Bedrohungen
- Vergewaltigungs- und Morddrohungen
Diese Punkte kommen uns nicht nur aus dieser Sammlung bekannt vor, sondern werden stets auf’s Neue umgesetzt.
Angriffe – Praxis
Ganz besonders in der Zielscheibe steht der Frauenrechtsverein Terre des Femmes e.V., denn er setzt sich konsequent für die Rechte von Frauen und Mädchen ein: TdF hat viel für die Durchsetzung des Mindestheiratsalters von 18 Jahren in Bezug auf Frühehen geleistet und setzt sich erfolgreich gegen Zwangsehen ein, genauso wie gegen weibliche Genitalverstümmelung, gegen Frauenhandel, Prostitution und Frauenfeindlichkeit.
Gegen Terre des Femmes
In den letzten drei Monaten wurde Terre des Femmes erneut heftig attackiert. Das ist leider nicht neu: Bereits 2017 hat es wegen Prostitution einen gezielten Unterwanderungsversuch von Terre des Femmes von gegnerischer Seite gegeben, wie die EMMA berichtete. Eine der Vorsitzenden von TdF, Inge Bell, steht dazu, dass sie einfach eine Frau ist, und hat damit ebenfalls einen Shitstorm ausgelöst.
Auch im Herbst/Winter 2020 wurde versucht, den Verein für eigene Zwecke zu sprengen. An die größere Öffentlichkeit gelangte dies durch einen Zeitungsbeitrag.
Sibel Schick in neues deutschland
Mit einer Auflage von 20.000-26.000 hat die Zeitung „neues deutschland“ durchaus Reichweite – ihre Kolumnistin Schick nutzte sie dazu, um gegen den Frauenrechtsverein zu wettern.
Schick wirft in ihrem Beitrag in der Zeitung „neues deutschland“ der Frauenrechtsorganisation nichts weniger als Folgendes vor:
„TDF reduziert in dem Papier die Identität von transgeschlechtlichen Menschen auf eine Willenserklärung, die keinen Einfluss auf ihre Diskriminierung habe. Zudem wirft TDF trans Menschen vor, durch ihre Transition, also operative Eingriffe, dazu beizutragen, das Patriarchat zu bekräftigen und in Frauenräume hineinzutragen, zum Beispiel in Frauenhäuser. Dabei ist es die cisgeschlechtliche Mehrheitsgesellschaft, die trans Personen zwingt, eine Transition durchzugehen, die mit viel Schmerz, Stigma und Ressourcen verbunden ist. Und das Patriarchat kommt sicherlich nicht erst mit transgeschlechtlichen Menschen in Frauenhäuser hinein.“
Sibel Schick: In die rechte Ecke. In: neues deutschland 30.09.2020.
Was um aller Welt war geschehen, dass eine Frauenrechtsorganisation mit solchen Aussagen konfrontiert wird? Terre des Femmes, ein Verein, der sich für die Rechte von Mädchen und Frauen auf aller Welt einsetzt, für den Zugang zu Bildung und für ein Leben ohne Zwang, wurde über Monate hinweg von Interessensverbänden drangsaliert, mit Anfragen und Stellungnahmen überhäuft und medial angegriffen, da sie sich nicht für Männer einsetzen. Dies führte dazu, dass Terre des Femmes – obwohl sie sogar einen Mann, der sich als Frau identifiziert, in ihre Reihen aufgenommen hat – sich genötigt sah, eine Stellungnahme zu verfassen. Sie ist hier zu finden: TdF Positionspapier vom 12.9.2020.
Doch schon der Hinweis darauf, dass diese Frauenrechtsorganisation unter „Frau“ eben „Personen des weiblichen Geschlechts“ versteht, führte zu Empörung. Terre des Femmes erläuterte weiter:
„Die Arbeit von TDF fokussiert sich auf jene, die aufgrund ihres gegebenen, weiblichen Geschlechts (Körpers) diskriminiert und mit patriarchalen Erwartungen eingeschränkt werden. Sie hinterfragt jede Zuweisung von Eigenschaftenauf Grundlage des weiblichen Geschlechts (Beispiel: Frauen sind emotionaler, weil sie Frauen sind, Frauen müssen Kinder kriegen und für sie sorgen, weil sie biologisch dazu befähigt wurden etc.) Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass Mädchen und Frauen eigene Schutz-und Freiheitsräume erhalten, die ihnen eine freie Entfaltung, weit weg von patriarchalen Vorstellungen, ermöglichen. Das Patriarchat wird seiner Wirkmacht beraubt, indem immer mehr Menschen mutig aus dem engen Korsett der Geschlechterstereotype ausbrechen, sich nach eigener Weise bewegen, kleiden, lieben, ohne das biologische Geschlecht zu verlassen“
TdF Positionspapier vom 12.9.2020, S. 1
Es sei darauf hingewiesen: Terre des Femmes ist einer von den ganz wenigen Frauenvereinen, der noch geblieben ist, der keine Männer fokussieren und ihre Statuten und Vereinsziele nicht für Männerinteressen umschreibt. Ihr „Verbrechen“ ist es, sich für Frauenrechte einzusetzen. Das entrüstete nicht nur Sibel Schick, die TdF wegen ihres Einsatzes gegen das Kinderkopftuch auch noch rassistisch nannte, sondern auch einige Vereine, die sich als Sprachrohr für bestimmte Personengruppen verstehen.
Update 4.12.2020: ND hat eine Stellungnahme von TdF zu dem Verriss von Schick publiziert, hier zu lesen.
Folgend werden nur kurz die Sachverhalte skizziert; die weiterführenden Links gestatten tiefere Einsicht.
dgti e.V.
Der Verband dgti e.V., der sich für die Rechte von Transgender einsetzt, hat auf S. 6 einer detaillierten Stellungnahme folgendes Résumé gezogen:
„Wir sind vor dem Hintergrund der im Vorfeld geleisteten wohlwollenden Unterstützung und Aufklärung von diesem Positionspapier enttäuscht und empfinden eine grundlegende Feindseligkeit uns gegenüber. Auf Basis der hier zum Ausdruck kommenden Haltung ist für uns eine Zusammenarbeit nicht möglich. Dessen ungeachtet sind wir weiterhin bereit nach vorbehaltloser und bedingungsloser Anerkennung unser Geschlechtszugehörigkeit ohne Einschränkung, im Dialog zu bleiben.“
Etwas überraschend ist es ja schon, dass eine Person hier mit so harschen Vorwürfen den kooperativen Frauenrechtsverein abkanzelt. Aber auch andere Vereine positionierten sich gegen Frauenrechte.
Korrektur: Zuvor schrieb ich, dass Julia Steenken vom dgti e.V. an der Stellungnahme mitgearbeitet hat, was nicht korrekt ist. Dem Vorstand von TdF zufolge waren TdF und dgti e.V. in einem „wertschätzenden Austausch“ verblieben; da TdF bereits sich als Frauen identifizierende Männer aufnimmt, kam die oben verlinkte Stellungnahme für TdF unerwartet, da der Frauenrechtsverein bereits zuvor einen Vertreter von dgti e.V. zu einer eigentlich internen Veranstaltung eingeladen hatte, um dort die eigenen Positionen vertreten zu können. Der Einladung wurde auch nachgekommen. Dass nun nach so viel Entgegenkommen eine so negative Stellungnahme publiziert wurde, ohne vorher TdF zu konsultieren, war für die Frauen sehr überraschend.
ATME e.V.
So auch der Verein ATME e.V. (Akion Transsexualität und Menschenrecht), der die Position von Terre des Femmes als „Manifest gegen Selbstbestimmung“ interpretiert. Er ist ebenfalls erbost und betitelte TdF in seiner eigenen Stellungnahme verächtlich als „Terre des Vaginas“. Agieren so Personen, die respektvoll mit Frauen umgehen? Sind das gute Argumente für Frauenrechtsorganisationen, ihre Schutzschranken zu öffnen und Männer aufzunehmen? Eher nicht.
Deplatformingversuch bei UNIDAS
Noch am 28.11.2020 wurde ein Statement von QueerfeministInnen publiziert, weil Terre des Femmes bei der UNIDAS Frauenkonferenz 2020 eingeladen und erwähnt wurde. Unidas – Frauennetzwerk zwischen Deutschland, Lateinamerika und der Karibik e.V. ist Teil einer Initiative des Auswärtigen Amtes unter der Schirmherrschaft von Bundesaußenminister Heiko Maas. Das Netzwerk hat vom 25.-28. November 2020 eine Konferenz mit zahlreichen internationalen SpeakerInnen veranstaltet, um sich über ihre Bemühungen für die Gleichstellung der Geschlechter auszutauschen. Dort war Sibel Kekilli, als Gründungsmitglied von UNIDAS, selbstverständlich auch dabei. Sie setzt sich seit Jahren für die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen ein, ist Botschafterin für Terre des Femmes und wurde für ihr Engagement 2017 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Allerdings war ihre Präsenz den GegnerInnen ein Dorn im Auge – auch wenn Kekilli lediglich im Rahmen einer Fragestunde einen Programmpunkt hatte, die UnterzeichnerInnen folgenden Statements aber mehrere Panels ausfüllten:
Sie wollen also die Botschafterin für Frauenrechte, die für ihre wichtige Arbeit für Frauen und Mädchen mit einem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, die das Netzwerk selber gegründet hat, aus genau diesem Netzwerk verbannen, weil sie sich für Frauenrechte einsetzt. Auf einer Konferenz eines Frauennetzwerkes.
Der Grund: Die KritikerInnen sind für Prostitution, für ein Kinderkopftuch, für fragwürdige therapeutische Praktiken und gegen die Anerkennung des biologischen Geschlechts. Das hat zwar viel mit Frauen zu tun, aber nicht mit ihrer Befreiung, sondern mit ihrer Unterdrückung.
Was soll das?
Gegen Grüne Frauen
Viele Feministinnen hatten eigentlich gehofft, in den Grünen, die sich Frauenrechte lange auf die Fahne geschrieben hatten und mit Petra Kelly und ihren Mitstreiterinnen prominente Frauenrechtlerinnen in ihren Reihen hatten, eine politische Heimat zu finden. Aber tatsächlicher Feminismus, der sich für die Rechte von Frauen einsetzt, wird auch dort nicht gern gesehen und oft aus den eigenen Reihen auszuschließen versucht.
Fragen stellen: Eva Engelken
Schockierend frauenfeindlich fielen auch die Angriffe auf Grünenmitglieder, ganz besonders Eva Engelken aus, als diese sich dafür einsetzte, über die negativen Auswirkungen eines neuen Gesetzesentwurfs auch nur zu sprechen. Für den reinen Wunsch nach einer Debatte hagelte es Schmähungen, fehldarstellende Artikel – sogar Rufe nach einem Parteiausschluss wurden laut. Für ihren Antrag auf der Grünen BDK November 2020 (Bundesdelegiertenkonferenz), in dem sie dafür plädierte, über die Auswirkungen des Selbstbestimmungsgesetzes zu sprechen, wurde mehrfach nach Parteiausschluss gerufen. Die Diskussion dazu lief alles andere als rational, wie etwa hier nachzuvollziehen ist. Alles, weil sie danach fragte, wie der Schutz von Frauen und Mädchen gewährleistet werden könnte.
Die Diskussionen um sie könnten eigene Blogeinträge füllen. Wir fordern Schutzrechte für alle, die sie brauchen. Wenn sich eine Gruppe aber einfach die erkämpften Rechte von Frauen aneignen will, dann sollten Frauen doch zumindest darüber sprechen dürfen.
Lesbisch sein: Lesbisches Aktionszentrum reloaded e.V.
Für diese Debatte setzten sich auch andere Frauen- und Lesbenvereine ein, etwa das Lesbische Aktionszentrum, LAZ reloaded e.V. (Stellungnahme hier).
In ihrem Fazit zum Gesetzesvorschlag weisen sie respektvoll und sachlich, aber unmissverständlich darauf hin, dass hier sowohl das Kindeswohl als auch Frauenrechte auf dem Spiel stehen. Diese Frauen haben sich über Jahrzehnte hinweg erfolgreich für beides engagiert.
Konkurrierende Rechte gegeneinander abzuwägen ist Aufgabe des Gesetzgebers. Gesetze zu erlassen, die niemandem schaden und keine anderen Schutzrechte beschneiden oder aufheben, auch. In diesem Fazit wird gefordert, dass die Interessen aller schützenswerten Parteien ausreichend berücksichtigt werden. Ein berechtigter Wunsch, oder nicht?
Für ihre Positionen erfuhren sie in sozialen Medien etwa solche Reaktionen:
Lesbenfeindlichkeit ist leider ein weiteres separates, großes und sehr bitteres Thema, das zu einem anderen Zeitpunkt noch ausführlicher behandelt werden soll.
Zunächst soll ein Verweis auf diese Sammlung genügen. Hintergründe sind hier zu finden. Mittlerweile ist die Homophobie und der Druck von queerer Seite auf Schwule und Lesben so groß, dass sich neue Vereinigungen bilden, die sich gegen die Angriffe wehren.
Islamismus bekämpfen: Lehrerin Birgit Ebel
Auch andere feministische Positionen werden angegriffen. Erst im Frühjahr 2020 wurde die Lehrerin und Antiextremistin Birgit Ebel beschimpft, es wurde ihre Kündigung gefordert und sie wurde sogar verklagt – weil sie sich gegen islamistischen Extremismus einsetzt. Sie hat das Projekt „extremdagegen!“ ins Leben gerufen, eine Initiative gegen Extremismus und Gewalt.
Ebel, die sowohl Mitglied bei den Grünen als auch bei Terre des Femmes ist, hatte den Suizid einer jungen Muslima, der vermutlich aufgrund von Ehrvorstellungen und rigider Sexualmoral vollzogen wurde, im Unterricht thematisiert und wurde dafür massiv angefeindet und angezeigt, die Klage wurde aber letztlich fallengelassen. Ihr unermüdliches Engagement gegen Salafismus und islamistischen Extremismus animierte u.a. eine sich als „feministisch-antirassistische Aktion Bielefeld“ bezeichnende Gruppe dazu, sich mit fragwürdiger Begründung von ihr zu distanzieren.
Gegen WHRC
Als Reaktion auf internationale Trends zur Einschränkungen von Frauenrechten hat sich vor Kurzem die NGO Woman Human Right‘s Campain (WHRC) gegründet, ein Verbund, worin sich Frauen aus der ganzen Welt gemeinsam für geschlechtsbasierte Rechte einsetzen. Diese Organisation hat Unterstützerinnen in 124 Ländern und mittlerweile Tochterverbände in 30 Ländern, so auch in Deutschland. Die deutschen Informationen sind hier zu lesen, die deutsche Deklaration als PDF hier.
Die WHRC hat sich ebenfalls für das Führen dieser Debatte eingesetzt, eine eigene Stellungnahme verfasst und engagiert sich ausschließlich für Frauen – daher wird auch sie in jüngster Zeit Zielscheibe von antifeministischen Kampagnen.
Allein die Existenz von Frauenvereinen und dass diese eigene Forderungen äußern, scheint die Gegnerschaft so sehr zu ärgern, dass sie mit allen Mitteln versucht, deren Handlungs- und Redefreiheiten einzuschränken.
Was ist da dran? Sind diese Frauen wirklich so schlimm? Ein Blick in den Text hätte die Verwirrungen in den Statements verhindern können. In der Deklaration wird sich auf internationale Abkommen zu Frauenrechten berufen, außerdem werden das Konzept einer „Geschlechtsidentität“, Diskriminierung und Ausbeutung von Frauen, Gewalt gegen Frauen kritisiert, die Stärkung von Mütterschutzrechten, Meinungs- und Versammlungsfreiheit gefordert und generell an Gesetze erinnert, die bereits jetzt schon gelten. Weil Frauen dafür gekämpft haben. Das heißt, dass Frauenrechtlerinnen einfach bereits bestehendes, geltendes Recht verteidigen. Und darauf wird wie oben gesehen reagiert.
Und wenn die bereits bestehenden Frauenrechte „transfeindlich“ sein sollen – bedeutet das dann nicht viel eher, dass die Forderungen von queerer Seite frauenfeindlich sind?
Übrigens wird auch bezüglich Prostitution nicht im Interesse der Betroffenen gehandelt. So stellten sich Organisationen wie etwa die Deutsche Aidshilfe gegen eine Kondompflicht und gegen ein Mindestalter in der Prostitution (Quelle).
Entweder haben die Kritiker die Deklaration nicht gelesen, oder nicht verstanden, oder mutwillig missverstanden. Anders sind aufgrund der Sachlage diese Äußerungen nicht zu verstehen.
Eins steht fest: Frauenrechte sind gefährdeter denn je.
Für rationale Argumente
Die zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit, die wir gesamtgesellschaftlich erleben, ist ein Grund für diese Ereignisse. Dies mag auch an einem Unverständnis darüber liegen, wie Wissenschaft funktioniert. Derzeit wird bei gewissen, emotional aufgeladenen Themen nicht argumentiert oder debattiert, sondern Debatten werden verhindert und mit Kunstgriffen der eristischen Dialektik niedergeschrien; Gefühle und Meinungen werden über Argumente und Evidenzen gestellt. Dabei ist eine rationale Debatte mehr als angesagt.
Doch auch rational Argumentieren will gelernt sein. Daher hat das Hans-Albert-Institut e.V. für kritischen Rationalismus vor wenigen Tagen einen Leitfaden publiziert, der dabei helfen soll, von der emotio wieder zurück zur ratio zu gelangen.
Dieser Position schließen wir uns vollumfänglich an. Die Argumente, nicht die Personen müssen geprüft werden. Wissenschaftlich ist nur, was intersubjektiv nachvollziehbar, was kritisierbar, widerspruchsfrei und belegbar ist. Wir stellen uns gegen identitäre Bewegungen und setzen uns für Gleichheit und Gerechtigkeit ein.
Fairplay für Frauen
Wir haben uns in Sicherheit gewogen. Unsere Vorkämpferinnen haben viel erreicht.
Seit 1919 dürfen Frauen wählen.
Seit Ende der 1960er Jahre dürfen Frauen Hosen tragen.
Seit 1977 dürfen Frauen eigenständig einen Arbeitsvertrag unterschreiben.
Seit 1992 dürfen Frauen nachts arbeiten.
Und seit 1997 ist es eine Straftat, wenn ein Ehemann seine Frau vergewaltigt.
Und das nach Jahrtausenden der Unterdrückung. Unsere Rechte sind noch jung, und sie sind fragil.
Mit jeder Welle des Feminismus kommt ein Backlash, ein Rückschlag, und in diesem befinden wir uns gerade. Es steht viel auf dem Spiel.
Wir lassen uns nicht einschüchtern, nicht bedrohen, nicht mundtot machen.
Wir setzen uns für Frauen und für eine gerechtere Welt ein.
Wir stellen uns gegen Gewalt und Diskriminierung.
Und wir werden uns nicht von Frauenfeinden kleinkriegen lassen.
Jetzt ist die Zeit zu handeln, aufzustehen, Frauenrechte zu verteidigen.
Wir haben gerade erst angefangen.
Victoria Feuerstein, 3.12.2020; aktualisiert: 18.7.2021
PS: Wer weitere Beispiele für antifeministische Aktionen kennt, die/der teile sie mir gerne mit, per Mail an vicfeuerstein<at>women-at-work.org.
Inhaltlich differenzierter Zusammenhang geschildert.
Danke
Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, dgti e.V. kürzt sich klein ab. Ansonsten ist es die Deutsche Gesellschaft für Transfusions- und Infusionsmedizin DGTI e.V. Anderer Laden.
Das Positionspapier von TDF wurde ohne die dgti und gegen ihren Rat verfasst. Die Stellungnahme ist sehr wohlwollend verfasst.
Danke; ich habe den Part korrigiert.
Alles was in diesem Artikel steht wird mit einem einzigen Kommentar bestätigt. (von J.Steenken, 08.12.2020 um 7:36).
Mit welchem Recht fordert er eigentlich ein, dass TdF die dgti fragt, wie sie ihr Positionspapier zu verfassen haben? Ein durch und durch patriarchales Verhalten. Und – wohlwollend ist anders.
Vielen Dank für diesen guten Artikel.