Transaktivisten haben ein Bürgerbüro der SPD angegriffen, weil die SPD – trotz Anbiederei – am 19.5. nicht für das Selbstbestimmungsgesetz gestimmt hat. Hier eine kurze Dokumentation.
Inhalt
Vorspann – Stimmungsmache
Nachdem vor allem PolitikerInnen der Grünen sowie freilich Transaktivisten es in den sozialen Medien so dargestellt haben, als habe die SPD die Alleinschuld daran, dass die Gesetze zur „geschlechtlichen Selbstbestimmung“ nicht angenommen wurden, trugen diese Kampagnen nun gewaltvolle Blüten.
U.a. von grüner „Queer“-Seite wurde die SPD medial wirksam massiv unter Druck gesetzt – die bekanntlich in einer großen Koalition mit der Union regiert und daher an Vereinbarungen gebunden ist, um die Koalition nicht platzen zu lassen. Obwohl die SPD sich seit langer Zeit bei Transaktivisten anbiedert (siehe Stellungnahmen hier), war es nicht genug.
Transaktivisten sind sofort darauf angesprungen. Die SPD-Politikerin Leni Breymaier etwa wird seit Tagen auf Twitter und in einschlägigen Medien für ihre Standhaftigkeit in Bezug auf Frauenrechte attackiert.
Angriff auf SPD-Büro Haltern am See
Am 29.5.2021 haben mutmaßlich Transaktivisten das Bürgerbüro der SPD Haltern am See beschädigt, eine Scheibe eingeworfen und die Wand mit „TSG abschaffen“ (TSG = Transsexuellengesetz) besprüht (Facebook-Post der SPD Haltern am See). Auch die Halterner Zeitung berichtete.
Auf die Wand gesprayt steht „TSG abschaffen!“ – eine Forderung, das derzeit gültige Transsexuellengesetz abzuschaffen und mit dem „Selbstbestimmungsgesetz“ zu ersetzen.
Nun wird also tatsächlich Gewalt angewendet, derzeit noch gegen Dinge, doch ist nicht auszuschließen, dass bald auch Menschen angegriffen werden.
Bürgerbüros sind Orte, an denen oft engagierte BürgerInnen Lokalpolitik betreiben. Ein solches Verhalten ist völlig inakzeptabel und zudem antidemokratisch.
Dennoch verteidigen einige der Transaktivisten diesen Angriff auch noch.
Es dauerte nicht lange, bis Transaktivisten den Aluhut aufsetzten und eine Verschwörung witterten – da ja bekanntlich Frauenrechtlerinnen oft mit Pflastersteinen und Spraydosen nachts, wenn ihre Kinder schlafen, durch Kleinstädte ziehen /s.
Bekennerschreiben
In einem Bekennerschreiben äußern sich die Täter zu ihren Motiven. Das Schreiben ist hier zu finden.
Darin bekennt sich eine „Gruppe autonomer trans* Personen“ zu der Tat und demonstrieren eindrucksvoll ihren Egoismus sowie ihre Unkenntnis über politische Strukturen und Zusammenhänge.
Wir wollen unsere Ohnmacht und Wut darüber ausdrücken, dass sich die sPD lieber für einen bald irrelevanten Koalitionsvertrag einsetzt, als trans* freundliche Politik zu machen. Deshalb haben wir in der Nacht vom 28. auf den 29.05. das sPD Büro in Haltern mit Hämmern und Steinen angegriffen, Löcher in die Scheiben geschlagen und mit Farbe „TSG abschaffen!“ an die Fassade des Gebäudes geschrieben.
Bekennerschreiben der Täter des Angriffs auf das SPD-Büro Haltern am See vom 29.5.2021, https://de.indymedia.org/node/149388. (Hervorh. V.F.)
Entgegen der Verschwörungstheorien bekannter Transakteure (dass Frauenrechtlerinnen diese Tat verübt hätten) handelt es sich hier also tatsächlich um eine politisch motivierte Tat.
Weiterhin stellen die Täter ihre Forderungen mit Nachdruck – wobei sie, wenn sie tatsächlich dazu berechtigt sind, ja alle Leistungen zugesprochen bekämen, siehe Transsexuellengesetz – und rufen explizit zu Nachahmung und Gewalt auf.
Es braucht JETZT ein vernünftiges Selbstbestimmungsgesetz, nicht nach der Bundestagswahl.
Bekennerschreiben der Täter des Angriffs auf das SPD-Büro Haltern am See vom 29.5.2021, https://de.indymedia.org/node/149388. (Hervorh. V.F.)
Deshalb haben wir uns selbst ermächtigt, etwas gegen die Verachtung der sPD für uns zu unternehmen. Die Beschädigung eines sPD Büros bringt vielleicht nicht viel, weswegen wir hier an dieser Stelle andere Menschen ermutigen wollen, das Selbe zu tun wie wir. Nehmt euch die Nacht zurück, nehmt euch die Straße zurück. Egal ob wie bei uns in der Provinz, oder in Großstädten. Trans*rechte werden nicht in den Parlamenten beschlossen (wie mensch neulich erst wieder schmerzlich bemerken durfte!) sondern auf der Straße erkämpft. Und diesen Kampf werden wir gewinnen.
Sie wollen sich also „die Nacht zurücknehmen“ und eignen sich damit eine feministische Forderung an – „Reclaim the night“ – die darauf hinweist, dass Frauen sich noch immer nicht in Sicherheit nachts im öffentlichen Raum bewegen können. Dass Männer davon ähnlich stark betroffen wären und häufig nachts vergewaltigt würden, ist mir neu.
Eine Twitterpräsenz, die sich „Antifa Haltern“ nennt, unterstützt den Angriff implizit durch die Verwendung von Hashtags.
Konsequenzen?
Es würde mich wundern, wenn dieser Angriff Konsequenzen hätte. Dafür ist das Narrativ viel zu weit ausgereift und die Supporter viel zu mächtig.
Im oben zitierten Bekennerschreiben sehen wir ein hervorragendes Beispiel für aggressives Anspruchsdenken, Kompromisslosigkeit, unverhältnismäßige Forderungen von Menschen, die wohl noch nie ein „Nein“ gehört haben – und wenn doch, es nicht akzeptieren – und zudem zu allen Mitteln greifen. Notfalls zu Gewalt. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis diese Gewalt auch gegen Menschen angewendet wird. Denn verbal werden diese Gewaltphantasien, fast ausschließlich gegen Frauen, schon seit langer Zeit geäußert.
Blick ins Ausland – Vancouver Rape Relief
In Kanada gab es vor einiger Zeit einen Angriff auf ein Frauenhaus – das im Nachgang seine öffentliche Finanzierung verlor. (Hier kann man spenden.)
In Vancouver hatten Transaktivisten die Hilfseinrichtung angegriffen – nicht etwa, weil sie nur Frauen aufnehmen würde (denn sie half Menschen beider Geschlechter), sondern weil ein Mann nicht als Ersthelfer für vergewaltigte Frauen agieren durfte.
Aus Rache wurde eine tote Ratte an die Tür des Frauenhauses genagelt und „Kill Terfs“ und „Transpower“ an die Scheiben geschmiert. Wahrlich eine Tat „marginalisierter“ Menschen.
Fragen
Wieso sollten diese Menschen – und es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich hierbei um Männer handelt – Zugang zu Frauen, zu Frauenräumen bekommen, wenn sie jetzt schon kein Nein akzeptieren?
Es ist kein Menschenrecht, sich als Mann auf der Frauentoilette zu erleichtern.
Es ist kein Menschenrecht, als Mann mit Frauen in der Sammelumkleide zu stehen.
Was fordern sie denn zusätzlich zu Frauenrechten für Männer? Uneingeschränkte medizinische Eingriffe nach eigenen Wünschen, ohne Diagnose, Notwendigkeit oder psychologische/medizinische Prüfung, dafür von der Allgemeinheit finanziert? (Ja, genau das fordern sie, wie die Grünen und die FDP in ihren Gesetzesvorlagen ebenfalls.)
Wenn bisher nicht offensichtlich war, wieso das keine gute Idee ist, sollte es das spätestens nach diesem Angriff sein.
Update 30.5.21, 13:58 Uhr: Stellungnahme SPD und SPDqueer
Soeben wurde mir ein Link zu einer Stellungnahme von Nadja Lüders, SPD NRW und Fabian Spies, SPDqueer, zugeschickt, die ebenfalls das antidemokratische Vorgehen verurteilen. Sie ist hier zu lesen.
Der Twitteraccount von SPDqueer hat die Stellungnahme ebenfalls geteilt, hier, und die Reaktionen sind erschütternd. Von Abgrenzung oder Verurteilung keine Spur, stattdessen wird die Gewalt noch gutgeheißen und ebenfalls zu weiteren Gewalttaten aufgerufen. Ein paar Zitate:
„Die SPDqueer sagt, der Angriff habe die Falschen getroffen. Gönnt euch nächstes Mal direkt das Willy-Brandt-Haus.“
„Nachdem ihr uns so in den Rücken gefallen seid ist dieses Rumgeheule besonders erbärmlich“
„Ich freue mich über jede weitere Scheibe, die bei der #FCKSPD wegen des #TSGabschaffen zu Bruch geht!“
„Geht stiefel lecken, das ist das was ihr seit 1914 am besten könnt“
„CN Gewalt Ich bin es nicht gewesen. Haltern liegt etwas zu weit von meinem Lebensmittelpunkt entfernt. Aber ich hätte es sein können. Denn ich hatte an jenem eine klaffende Wunde in der Brust. Und es lag nicht daran, daß eine grüne Partei zu große Hoffnung gemacht hätte.“
„Was für eine Reaktion wurde denn erwartet? Vandalismus ist uncool. Aber, ernsthaft, da seid ihr für <Transflagge> & <LGBT-Flagge> beim Durchsetzen des #TSG bringt ihr Euch offensichtlich nicht so ein. Als Vertretung für die Menschen, die Euch wählen und bis dato vertraut haben. Die Schelte muss sein.“
„SPD hat es wohl nicht so mit Kritik“
„ja schade dass es nur ein stein war“
„Liebe an die Person, die das gemacht hat <3“
„Wenn es nicht mit Argumenten geht, dann muss man sich anderweitig zum Ausdruck bringen.“
Victoria Feuerstein, 30.5.2021, Update 1.6.2021