Was es kostet, sich für Frauenrechte zu engagieren, haben mutige Frauenrechtlerinnen am 7. März 2021 in Paris erleben müssen.
Die französische Organisation CAPP – Collectif Abolition PornoProstitution engagiert sich gegen die sexuelle Ausbeutung von Frauen in der Pornoindustrie. Es ist ein Kollektiv aus Überlebenden der Prostitution, aus ausgebeuteten Frauen aus der Pornobranche, aus solidarischen Mitstreiterinnen. Es sind Frauen, lesbische, heterosexuelle, behinderte, französische, baskische, algerische Frauen, die sich gegen die Ausbeutung von Frauen einsetzen.
So beschreibt sich CAPP:
#CAPP rassemble de nombreuses femmes non seulement en France, mais aussi en Belgique, au Québec et ailleurs pour combattre le système le plus raciste, xénophobe, pédocriminel et misogyne : le système porno-prosti-tueur.
#CAPP bringt viele Frauen nicht nur in Frankreich, sondern auch in Belgien, Quebec und anderswo zusammen, um das rassistischste, fremdenfeindlichste, pädokriminellste und frauenfeindlichste System zu bekämpfen: das Porno-Prostitution-System.
Gedenkveranstaltung, 7. März 2021
Am 7. März hatten sie eine Gedenkveranstaltung angemeldet. Sie standen mit Plakaten an und auf einem Denkmal am Platz der Republik, etwa 15 von ihnen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, um darauf hinzuweisen, dass Prostitution und Porno Ausbeutung und Missbrauch sind, von dem nur die Zuhälter – auf Kosten der Frauen – profitieren.
Dafür erfuhren sie leider wenig Solidarität. Vor allem von Gruppen, die sich „antifaschistisch“ oder gar „feministisch“ nennen, erfuhren sie das Gegenteil. Auch FEMEN-Mitbegründerin Marguerite Stern, die schon zahllosen Anfeindungen, Gewalt und Bedrohungen ausgesetzt war, weil sie sich für Frauen, für Frauenrechte und für Gerechtigkeit einsetzt, wurde angegriffen und mit Eiern beworfen. Auch andere Frauen wurden beworfen und beschimpft, Banner zerrissen, Frauen tätlich und aggressiv angegangen. Man beachte die rosa-hellblaue Trans-Flagge.
Das Video ist hier zu sehen.
Ihr Verbrechen? Sie hielt ein Plakat, auf dem „Vive le sexe féminin!“ – „Es lebe das weibliche Geschlecht!“ steht.
Feministischer Kampf gegen Gewalt gegen Frauen wird also mit Gewalt beantwortet. Von genau denen, die sich „feministisch“ nennen.
Statt solidarisch zu sein, formten sich große Gegengruppen. Männerstimmen ertönten durch Megaphone, um die Frauen niederzumachen. Sie besprühten die Frauenrechtlerinnen mit roter Farbe. Den anwesenden Frauen zufolge waren viele Männer mit vielen Plakaten und Flaggen anwesend – keines der Plakate trug das Wort „Frau“ auf sich. Die Frauenfeinde skandierten „One TERF, one bullet, one justice!“ („Eine TERF, eine Kugel, eine Gerechtigkeit!“).
Es gab Handgemenge und tätliche Angriffe auf die Frauenrechtlerinnen – viele von ihnen Überlebende aus der Prostitution oder Pornobranche.
Das Video ist hier zu sehen, andere Videos hier. Den Frauenrechtlerinnen wurden die Banner entrissen, sie wurden geschlagen. Andere Anwesende mussten sie zu ihrem Schutz zur nächsten Metro-Station eskortieren.
In einem Statement kritisiert CAPP die Angriffe scharf:
Notre action CAPP contre le système porno-prostitueur, accompagnées de survivantes de la porno-prostitution.
Quelle
Nous avons résisté aux insultes, aux attaques, aux jets d’œufs et de projectiles, et aux menaces du collectif queer Féministes antifascistes contre „l’islamophobie“.
Ce collectif reproduit les violences machistes qu’il est censé combattre.
Agresser des survivantes de violences sexistes et sexuelles n’a rien de féministe. Agresser des femmes n’a rien de féministe.
Als wären die Angriffe mit Eiern und Wurfgeschossen nicht genug, verschandelten die Frauenhasser das Denkmal (Monument à la République), worauf die Aktivistinnen sich und ihre Plakate platzierten, mit Morddrohungen.
In roter Farbe steht dort „RETTE 1 TRANS TÖTE 1 TERF“.
Der Frauenhass ist völlig ungebremst und das Zauberwort, um diese widerwärtige Misogynie auch noch höhnisch als „feministisch“ zu vermarkten, lautet „TERF“ – denn wenn frau als „TERF“ gebrandmarkt ist, scheint ihr Leben nicht mehr viel wert zu sein.
Hier das Statement von CAPP dazu:
„SAVE A TRANS, KILL A TERF“
Quelle
Nous sommes un collectif de survivantes de la porno prostitution menacées de MORT par des transactivistes, qui pendant que nous étions sur la statue, des hommes et des femmes ont tagué cette HORREUR, et osent se dire féministes en voulant LA MORT de femmes qui luttent contre des violences auxquelles elles ont survecues !
CECI EST INADMISSIBLE !
Zu Deutsch heißt das etwa:
„RETTE EINE TRANSPERSON, TÖTE EINE TERF“
Wir sind ein Kollektiv von Überlebenden von Prostitutionspornos, die von Transaktivisten mit dem TOD bedroht wurden. Während wir auf der Statue waren, haben Männer und Frauen diesen HORROR angesprayt und wagen es, sich Feministinnen zu nennen, indem sie den TOD von Frauen wollen, die gegen die Gewalt kämpfen, die sie überlebt haben!
DAS IST INAKZEPTABEL!
Das ist absolut inakzeptabel! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die zahllosen Drohungen auch in die Tat umgesetzt werden – schon jetzt sterben unzählige Frauen in der Prostitution durch Zuhälter und Bezahlvergewaltiger, durch Partner und Expartner, durch Männer. Und Frauen, die 2021 darauf aufmerksam machen, die dagegen ankämpfen, werden mit dem Tod bedroht.
Wieso eigentlich „TERF“? Was hat „TERF“ mit dem Kampf gegen Prostitution zu tun?
Nichts. TERF steht für trans exkludierende radikale Feministin, siehe auch der Beitrag hier. Bei der Demo ging es um Prostitution und Porno. Und auf ihrer Website stellt sich CAPP sogar klar hinter LGB & T:
Und eigentlich haben sich die linken Sexmänner und -frauen schon ein anderes Wort für Feministinnen, die gegen Zwangsprostitution und Missbrauch kämpfen, ausgedacht (SWERF). Warum hier also TERF?
Weil es die neue Bezeichnung für „Feminazi“ ist, für Frau, die zum Abschuss freigegeben ist, für Frau, die getötet werden soll, weil sie unbequem ist. Ohne inhaltlichen Zusammenhang. Es ist ein Synonym für verhasste, zu beseitigende Frau.
DAS IST INAKZEPTABEL!
Wir deutschen Feministinnen stehen solidarisch hinter unseren französischen Schwestern!
Auch in Deutschland macht die Zuhälterlobby Wind gegen Abolitionistinnen, also Frauen, die sich gegen Prostitution einsetzen. Für den morgigen 8. März, den internationalen Frauenkampftag, haben prostitutionskritische Frauenrechtlerinnen, Abolitionistinnen, in Berlin eine Veranstaltung gegen Prostitution angemeldet. Und die Profiteurinnen und Profiteure, die Zuhälterinnen und Zuhälter, schlagen Alarm und machen Stimmung gegen die Frauen, die sich für andere Frauen, für Überlebende von Gewalt, die sich gegen Gewalt einsetzen.
„Die Demo klauen“ – die, die sich die Taschen voll machen, machen sich lustig über die, die denen helfen, die gar keine Stimme haben. Und genau diese Profiteurinnen sind es, die in großen deutschen Zeitungen Kolumnen bekommen, in der ZEIT und SZ zelebriert werden und sich selbst profilieren dürfen, die ihre frauenverachtenden Ansichten der breiten Masse – gegen Geld – kundtun dürfen, die gegen mutige Frauen angehen. Geschichten von Zwangsprostituierten liest man selten. Es sind ja die Opfer, deren Leid man lieber verschweigt. Man will lieber der Illusion eines verruchten Lebens der glamourösen Täterinnen frönen.
Wir haben 2021, wir leben mitten in Europa – es kann nicht sein, dass wir noch immer gegen solche Zustände kämpfen müssen! Und dass Männer in Deutschland legal gegen Geld Frauen vergewaltigen dürfen!
In Deutschland braucht es keine Augenwischerei mehr, sondern das Nordische Modell! Prostitution: Abschaffen!
Victoria Feuerstein, 7.3.2021, wütend
Update 8.3.2021: Aus Furcht vor Gewalt und ähnlichen Angriffen wie in Paris haben nun einige Aussteigerinnen aus der Prostitution ihre Teilnahme an der Berliner Gedenkveranstaltung für getötete Prostituierte schweren Herzens abgesagt.
Update 8.3.2021, abends: Die Veranstaltung am Brandenburger Tor war ein voller Erfolg, und abgesehen von ein paar seltsamen Argwöhnern wurden die Frauen nicht belästigt. Im Gegensatz zu denen in Paris, oder denen in Barcelona vor zwei Jahren.